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Fast täglich sind Sie im Coaching mit Klientinnen und Klienten in Veränderungsprozessen konfrontiert. Aber wie sieht es mit Ihnen selbst aus? Wann haben Sie sich das letzte Mal behutsam und neugierig mit Ihren eigenen Veränderungskompetenzen auseinandergesetzt?

Dieser Artikel liefert Ihnen einige Anregungen und vor allem Fragestellungen zur Reflexion, damit Sie für Ihre Coachees eine professionelle Veränderungspartnerin und ein selbst-bewusster Sparringspartner sind.

Wenn Sie mögen, setzen Sie sich mit Ihrem Tablet oder Smartphone gemütlich in ein Café und begegnen Sie aus zwei mal fünf unterschiedlichen Kompetenzperspektiven Ihrem aktuellen Veränderungsprozess. Heben Sie Ihre Veränderungskompetenzen auf ein neues Level. Ich wünsche Ihnen gutes Gelingen!

Zehn Kompetenzen säumen den Weg durch einen Veränderungsprozess. Nicht immer benötigt man alle. Entscheiden Sie selbst, welche Sie gerade gewinnbringend für sich entwickeln können. Manche benötigen Sie nur an einer Stelle im Prozess, manche werden mehrfach wirksam, auch das ist höchst individuell.*

Üblicherweise beginnt ein Veränderungsprozess mit einem Abschied, dann folgt die Phase der nebulösen Zwischenzeit, des „Nicht mehr“ und „Noch nicht“ und – wenn es Zeit wird, wendet sich das Blatt und der Neuanfang kommt in den Blick.

Welche Kompetenzen können Sie denn nun stärken, um für Ihre aktuelle und viele kommende Veränderungen gut aufgestellt zu sein?1.

1. Trennungskompetenz

Gibt es augenblicklich etwas in Ihrem Leben, von dem Sie sich verabschieden wollen? Ein unrentabel gewordenes Geschäftsmodell, ein Mensch, mit dem Sie nicht länger zusammenarbeiten wollen? Möglicherweise auch Klienten, mit denen sich die Zusammenarbeit nicht gut gestaltet?

Nehmen Sie sich einen Moment Zeit, um ein oder zwei Aspekte Ihres beruflichen Lebens aufzuschreiben, von denen Sie sich verabschieden möchten.

Dann stellen Sie sich das Aufgeschriebene doch einmal als Gegenüber vor (auch wenn Sie sich nicht von einer Person trennen möchten). Was würden Sie ihm/ihr Wertschätzendes über die vergangene Zusammenarbeit sagen wollen? Finden Sie auch eine klare bedürfnisorientierte Ich-Botschaft, die Sie dieser fiktiven Person gegenüber aussprechen, warum Sie nicht mehr „zusammenarbeiten“ möchten.

Hören Sie auf Ihre Intuition. Möglicherweise bekommen Sie eine Idee für ein kleines Abschiedsritual. Vollziehen Sie es so zeitnah wie möglich (auch wenn Sie sich dabei ein wenig komisch vorkommen, es hilft trotzdem zum Verankern, wie wir alle wissen.) Bei echten Personen kann die hier vorgestellte Vorgehensweise als Vorbereitung dienen, um einen guten gemeinsamen Abschluss zu finden.

2. Stresskompetenz

Stress findet auf drei verschiedene Arten statt: Entweder wir werden durch äußere Umstände gestresst. Gibt es da etwas, das Sie zur Zeit besonders stresst, beispielsweise die schwierige Auftragslage, der Praxisumzug oder der zu volle Terminkalender?

Dann wird unser Stresspegel darüber hinaus durch unsere psychischen und physischen Stressreaktionen erhöht. Vielleicht schlafen Sie schlecht, machen sich Sorgen oder fühlen sich schon seit Monaten körperlich müde und erschöpft. Wenn wir mit dieser Verfassung weiterhin stressigen Situationen begegnen, kommt es zu wahren Stress-Spiralen.

Und zu guter Letzt gibt es natürlich die inneren Stressoren, unser Mindset, mit dem wir auf Stress reagieren. Sie kennen vermutlich die inneren Antreiber aus dem NLP und der Transaktionsanalyse. Welche Botschaften sagen Sie sich gerade innerlich, die Sie zusätzlich stressen? Du musst hier aber trotz deiner Verfassung vollauf präsent sein! Es geht immer noch ein bisschen mehr! Wenn es weiter so läuft, muss ich noch mehr Klinken putzen!

Schauen Sie doch einmal für sich, welche der drei Arten von Stress (äußere Umstände, Stressreaktionen und innere Stressoren) Ihnen zur Zeit besonders zu schaffen macht. Diese Feststellung bringt oft schon etwas Erleichterung, weil die Ansatzpunkte klar werden. Am wenigsten können Sie an den äußeren Bedingungen ändern, natürlich können Sie immer noch mehr arbeiten. Aber vielleicht ist auch gerade eine Distanzierung zum System, das viel Stress macht, angesagt?

In Veränderungssituationen, in denen wir uns ja alle nahezu permanent befinden, ist es wichtig, gut für sich zu sorgen. Gerade gestern habe ich ein Interview mit Ivan Blatter gehört, der mich durch seine konsequente Art der Selbstfürsorge im Hinblick auf Tagesrhythmus, Ernährung und Bewegung beeindruckt hat. Hierüber können wir unsere Stressreaktionen natürlich beeinflussen. Und es ist wichtig, sich bewusst zu machen, dass das nicht zu den „Nice to have’s“ gehört…

Direkt an der Quelle sitzen wir, wenn es darum geht, an inneren Haltungen oder Glaubenssätzen zu arbeiten. Wann haben Sie das letzte Mal das mit sich selbst getan, was Sie so oft im Coaching mit und für andere tun?

Welche innere Haltung, welcher Muss-Satz stresst sie so, dass Sie diese Botschaft dringend verändern möchten? Tun Sie es direkt mit Ihren Bordmitteln.

3. Ressourcenkompetenz

Wenn Menschen in Veränderungsprozesen unterwegs sind und die Reise wieder länger dauert und anstrengender ist als gedacht, ist es hilfreich, auf einen großen Ressourcenvorrat zurückgreifen zu können. Leider gerät der gerade, wenn man ihn am dringendsten benötigt, oft aus dem Blickfeld. In heftigen Übergängen oder Krisen entsteht ein Tunnelblick, der emotional den Ressourcenzugang erschwert. Deswegen ist die Ressourcen- und Ermutigungsarbeit im Coaching so wichtig, um den Blick wieder zu weiten.

Was ist Ihre Lieblings-Ressourcen-Intervention? Führen Sie sie doch einmal selbst im Bezug auf Ihre aktuelle Veränderungssituation durch.

Wenn Sie keine haben, dann überlegen Sie doch einfach ganz herkömmlich in einer Mindmap in fünf Ästen, welche materiell/finanziellen, sozialen und fachlichen Ressourcen Ihnen zur Verfügung stehen und vor allem, welche körperlichen und psychischen Ressourcen Sie gerade für die Veränderung mitbringen. Sie werden überrascht sein, was da zusammen kommt.

Natürlich können Sie weiterdenken, welche Ressourcen Sie aktuell dringend bräuchten, um sich die Veränderung zu erleichtern und wo Sie die bekommen können.

4. Anpassungskompetenz

Anpassung war für mich lange Jahre kein positiver Begriff. In der Individualpsychologie bezeichnet Anpassung aber das gelingende Interagieren mit dem Umfeld und hat demnach viel mit Resilienz zu tun.

Zeichnen Sie sich doch einmal zwei Kreise, die eine Schnittmenge bilden, auf ein DIN A4-Blatt. Tragen Sie die Anforderungen Ihres äußeren Umfeld in den einen Kreis ein. Zum Beispiel stressige Herausforderungen Ihrer Lebensorganisation, wenn beispielsweise die Kinder feste Betreuungszeiten benötigen, Vorgaben größerer Auftragsgeber und andere gesetzte Umfeldbedingungen. Schreiben Sie Anforderungen, die Sie innerlich an sich selbst stellen, was Sie alles tun/können/erledigen sollen und wollen, in den anderen Kreis.

Dann schauen Sie diese Kreise eine Zeitlang mit etwas unscharfem Blick an. Wo gibt es Verbindungen zwischen den beiden Kreisen. Wenn sich etwas von da und dort auflöst, in einem Kompromiss, der sich für Sie gut anfühlt oder gar in einer Win-Win-Situation, finden Sie einen Begriff dafür und tragen Sie diesen in die Schnittmenge ein. Streichen Sie die bearbeiteten Punkte in den äußeren Kreisen durch. Wie fühlt sich das an?

Was bleibt in den äußeren Kreisen übrig? Wo kristallisieren sich Kernthemen heraus, an denen Sie weiterarbeiten können?

Biografische Kompetenz

Immer wenn wir in Veränderungen und Lebensübergänge geworfen werden oder uns sogar freiwillig hineinbegeben, blitzen alte Übergänge auf, die wir vielleicht noch nicht vollständig verarbeitet haben. Damals, die Angst vor der Selbständigkeit oder die geplatzte Geschäftspartnerschaft, in die wir so viel Hoffnungen gesetzt haben, manchmal sogar unglückliche Schulübergänge.

Wenn Sie so innerlich in Ihrer Biografie zurückgehen, welche größeren Veränderungen oder Übergänge fallen Ihnen ein, die das aktuelle Geschehen möglicherweise aus dem Hinterhalt dramatisieren könnten?

Gibt es da noch etwas Größeres (zum Beispiel in der eigenen Supervision) für Sie zu klären, damit der aktuelle Prozess unbelasteter verlaufen kann?

Dann schauen Sie mit dem Ressourcenblick auf biografische Muster. Was hat Ihnen schon immer geholfen, Veränderungen gut hinzubekommen?

Schreiben Sie die – wenn Sie möchten – in Form von Wenn-Dann-Sätzen auf. Der Mensch braucht jede Menge Sicherheit in Veränderungsprozessen. Sehen Sie diese Wenn-Dann-Sätze doch einmal als Ihre Rückfalloptionen oder Ihr Sicherheitsnetz. Das stärkt das Bewusstsein, dass Sie schließlich schon viele Veränderungen überlebt und sogar gut bewältigt haben!

Dann möchte ich mich bei Ihnen bedanken, dass Sie so lange an Ihrem Veränderungsvorhaben gearbeitet haben und dabeigeblieben sind. Den zweite Teil, wenn Sie Lust zur Vertiefung haben, finden Sie in der kommenden Woche in meinem Blog. Ich freue mich über Ihre Fragen und Anmerkungen in den Kommentaren.

*Ich beziehe mich im gesamten Artikel auf mein Kompetenzmodell, das ich im Rahmen eigener Forschungsarbeiten entwickelt habe. Es ist der Versuch, umfassend zu beschreiben, welche Kompetenzen Erwachsene in beruflichen Veränderungsprozessen benötigen, um diese für sich bestmöglich zu bewältigen und zu gestalten.

Beitragsbild: © www.wikimedia.org


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Interview mit Dr. Martina Nohl, Geschäftsführerin der Akademie für Übergangscoaching

Das Interview führte Till Tauber, der sich auf das Thema Bewerbungen spezialisiert hat.

1.

Sie haben in Ihrer selbständigen Coaching- und Beratungstätigkeit bereits eine Vielzahl an Menschen mit ganz unterschiedlichen Werdegängen beraten und betreut. Kommen Ihre Kunden heute mit anderen Fragestellungen zu Ihnen, als noch vor ein paar Jahren? Oder meist eher dann, wenn der Leidensdruck bei der derzeitigen Tätigkeit zu hoch ist?

Ich kann da keine spezifische Änderung in den Fragen, mit denen meine Klientinnen und Klienten kommen, feststellen. Eine für mich sehr spannende Entwicklung sehe ich, dass sich manche Menschen proaktiv und fast schon prophylaktisch mit einer Neuorientierung auseinandersetzen. Sie möchten in der Lebensmitte einfach sehen, was sie alternativ noch für Möglichkeiten haben und ausloten, ob sie einen dieser Wege beschreiten möchten. Dieses Verhalten für zu einer Art Orientierungskompetenz, dass es für diese Menschen im Ernstfall dann leichter ist, sich auf etwas Neues einzulassen.

2.
Was macht Ihrer Meinung nach einen guten Karriereberater bzw. Coach aus?

Da kommt mir Demut in den Sinn, Demut vor dem Leben der Menschen, die sich entschieden haben, mit mir zusammenzuarbeiten. Hier gebietet der Respekt, dass die Lösungs- und Gestaltungshoheit absolut bei ihnen verbleibt und ich „nur“ passende Interventionen und den Rahmen mit meiner Beratungskompetenz stelle. Auch liegen mir die Menschen, mit denen ich arbeite, am Herzen, sie sind keine Nummer und deswegen kann ich auch nicht so viele Beratungssitzungen an einem Tag haben. Aber auch Demut gegenüber dem Prozess, der zwar gestaltet werden möchte, sich aber auch entwickeln muss. Ich habe hier am Anfang meiner Beratungstätigkeit viel mehr versucht zu steuern. Weiterhin sehe ich permanente Weiterbildung zur Kompetenzerweiterung und eigene Supervision zur Reflexion meines professionellen Handelns als absolut wichtig an.

Hier geht’s zum vollständigen Interview