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… Veränderung ist nix Schlimmes!

Kennst du das auch bei deinen Klient:innen: Alle kommen mit der Idee ins Change-Coaching, dass sie sich verändern wollen. Wenn’s dann aber ernst wird mit der Umsetzung im Coaching, passiert trotz richtig guter Coachingergebnisse eher weniger. Das ist nicht nur für dich als Coach frustrierend, sondern natürlich auch für deine Coachees, die ja privat viel Geld bezahlt haben oder im Unternehmensumfeld zumindest ihre Zeit investiert haben.

Meine Idee dazu: Oft geht eine normale einjährige Coachingausbildung nicht tief genug, um diese Veränderungsdynamik professioneller führen zu können, so dass die erarbeitete Transformation auch wirklich in die Umsetzung kommt.

Tatsächlich sind wir westlichen Menschen ein wenig aus der Übung, was Veränderung angeht. Wir haben auch kein positives Verhältnis mehr zu Veränderungsprozessen, da wir das „Mitleben“ in der Natur verloren haben. Die Natur macht uns eigentlich täglich vor, wie Veränderung geht: Als Kind konnten wir noch staunen, wie aus einer haarigen Raupe ein wunderbarer Schmetterling wird oder wie es wohl sein kann, dass aus einer kleinen 2 cm großen Eichel dann eine riesige Eiche wird. Und keiner weiß genau, wie die enormen Veränderungskräfte hier diese großen Wunder wirken.

Eigentlich sind wir Menschen auch Teil dieser großartigen Natur, die uns täglich diese magische, bombastische Veränderungskraft präsentiert – aber das kann man ja heute schon mal schnell vergessen, wenn man im klimatisierten Büroraum sitzt, quer durch die Welt zoomt und dabei seinen laktosefreien Cappuccino schlürft…

Ich habe die Theorie, dass wir Menschen in den letzten zwei Jahrzehnten oft so erschöpft sind, weil wir erstens nicht mehr an die natürlichen Veränderungskräfte der Natur angebunden sind. Das heißt, wir leben aus eigener Kraft und lassen uns nicht mehr vom Rhythmus der Natur durch’s Jahr tragen.

Zweitens sträuben wir uns aktiv gegen die Veränderungen, die in unserem Leben passieren, bzw. versuchen, sie aus eigener Kraft zu steuern, statt organisch mit dem Strom zu schwimmen.

Aber was hat das nun alles mit Change-Coaching zu tun?

Was geschieht im Change-Coaching genau?

Wenn heute Veränderung zum Alltag wird – während sie gefühlt die Bewältigungskapazität der meisten Menschen sprengt –, werden Change Coachs zu Schlüsselpersonen: Sie können Soforthilfe leisten, indem sie Menschen helfen, wieder ihre Veränderungskompetenzen, neudeutsch „Changeability“, zu entwickeln.

  1. Im Change-Coaching zeigen wir unser Klient:innen einerseits, dass Veränderung nix Schlimmes ist. Wir stellen ihnen vor, wie Veränderungsprozesse funktionieren und durch welche Aspekte und Kriterien sie bestimmt sind. Am besten tun wir das mit guten Modellen und Visualisierungen.
  2. Wir geben ihnen weiterhin einen neuen Blick auf die „Geburtsschmerzen“ von Veränderungsprozessen. Wird in der Natur groß gefragt, ob sich Veränderungen immer gut anfühlen? Ich will gar nicht so genau wissen, was so eine Raupe in der Metamorphose fühlt, wenn ihre Verdauungssäfte ihre alten Zellen zersetzen oder ob der Keimling in der Eichel das besonders angenehm findet, wenn er kurz vorm Sprengen der harten Schale steht? Aber das Ergebnis danach belohnt für die Mühe!
    Übrigens bewerten auch Menschen die Veränderungen im Rückblick in einer emotionalen Gesamtbewertung. Und gerade richtig schwere Phasen werden da oft als sehr positiv bewertet, weil sie zu großen Entwicklungsschritten werden. Das würde ein Schmetterling vermutlich auch so sehen.
  3. Und wir zeigen unseren Klienten im Change-Coaching auch, wie sie aktiv ihre Veränderungsprozesse mit diesen reaktivierten oder neu erworbenen Kompetenzen, ihrer „Changeability“, mitgestalten können, z.B. durch Ressourceneinsatz, proaktive Entscheidungen, Aufbau von Selbstwirksamkeit und aktives Stressmanagement.

Die Veränderungsbereitschaft der Deutschen

Dass es uns Deutschen eher schwerfällt, positive Zukunftsbilder entstehen zu lassen, hat schon die Vermächtnisstudie der „ZEIT“ zu ihrem 70-jährigen Bestehen 2016 bestätigt. Die Nachfolgestudie der Allianz Lebensversicherung zur Veränderungsbereitschaft der Deutschen hat gezeigt, dass deswegen viele Deutsche unwillig sind, präventiv Veränderungskompetenzen zu entwickeln. Der gewaltige Unterschied zwischen gefühlter Gegenwart, die ganz gut ist und gefühlter Zukunft, die als eher negativ bewertet wird, der sich bei 90 Prozent der Befragten feststellen lässt, äußert sich in einer großen Angst vor dem Unbekannten – aus der wiederum die Einstellung resultiert, dass es ohne Veränderung eigentlich viel besser wäre. Warum also mit viel Kraft und Energie an Veränderungen arbeiten, deren Sinn und Ausgang man eher als zweifelhaft einschätzt?

Ein Hauptergebnis der Studie ist, dass der größte Teil der Befragten durchaus sehr gut in der Lage ist, die großen Herausforderungen des Lebens zu bewältigen und Veränderungen positiv zu gestalten. Allerdings ist die vorherrschende Form der Veränderungsfähigkeit nicht präventiv und proaktiv, sondern eher reaktiv und pragmatisch. Die Menschen verändern sich, wenn es nicht mehr anders geht, nach dem Motto „Muss ja!“, mit dem wir Deutschen durchaus in der Lage sind, auf einen für uns wichtigen Veränderungszug aufzuspringen. Aber von einer Pionier- und Gestaltungsfreude ist wenig zu spüren. Gleichzeitig zeigten sich die Befragten allerdings offen für Lernerfahrungen und Probehandeln, also einen sehr pragmatischen Umgang mit Veränderungen.

Im Change-Coaching den sicheren Boden schaffen

Wir als Change Coachs müssen mit dieser zentralen Erkenntnis umgehen lernen: Ausgangspunkt für jede Veränderungsarbeit in Deutschland ist offenbar die (vermeintliche) Sicherheit und das Altbewährte. Das bedeutet für uns im Coaching immer auch konkret, dass wir unseren Coachees erst einmal einen Sicherheitsboden bereiten, auf dem dann die Veränderungssaat ausgebracht wird.

Beispielsweise:

  • Erarbeite mit deinem Coachee die Aspekte, die sich für ihn in naher Zukunft eben auch nicht verändern werden, worauf er/sie sich auch weiterhin verlassen kann.
  • Lege einen starken Fokus auf die existierenden Bewältigungsstrategien deiner Coachees. Dies gelingt, indem ihr euch anhand von der (Berufs-)Biografie des Klienten die schon bewältigten Veränderungsprozesse bewusst macht und das individuelles Sicherheitsnetz des Coachees erkennt und wenn möglich im Coaching weiter ausbaut.
  • Arbeite mit visualisierten Veränderungsmodellen. Das hilft deinem Coachee in besonderer Weise, die Überlebensprinzipien in Change-Prozessen zu verstehen. Darin lernt er auch einen Schlüssel für eine hohe Lebensqualität generell, im Besonderen aber auch für die Steigerung der Zufriedenheit in anstrengenden Veränderungsprozessen, zu erkennen.

6 Change-Coaching Praxis-Ideen für Coachs

  1. Geh voran. Zeige dich auch als Mensch. Aber übertreibe es nicht mit dem „Sharing“, frage besser vorher nach, ob der Klient auch ein Beispiel aus deinem Leben hören möchte. Über diese persönliche Brücke gelingt es dem Klienten leichter, seine Maske abzulegen und sich wieder menschlich authentisch auszutauschen über die Dinge, die gerade im Change bei ihm oder ihr passieren.
  2. Zeige Gesetzmäßigkeiten von Veränderungsprozessen mit den spezifischen emotional-psychischen Folgen auf. Damit entlastest du deine Coachees und trägst wesentlich zu einer gesunden Selbstwahrnehmung bei! Eine fiese Sache, die m.E. gerade gesellschaftlich abläuft ist, dass systemische Veränderungsthematiken individualisiert, ja gar pathologisiert werden. Wenn wir Menschen zeigen, dass alle Menschen ähnliche Prozesse mit ähnlichen emotionalen Phasen in Veränderung durchlaufen, dann haben sie nicht mehr das Gefühl, sie sind die einzigen, die nicht klar kommen mit dieser Veränderung. Viele Veränderungsüberforderte landen in der Therapie, obwohl es bei ihnen doch „nur“ um normale Lebensbewältigungsprozesse geht.
  3. Bewahre den Ressourcenfokus im Coaching, wenn dein Klient jammert. Das ist ein normales Phänomen, dass in krisenhaften Zeiten der Tunnelblick immer enger wird. Du kennst den Modus des Stammhirns: Fight, Flight oder Freeze, hier sind wir nicht mehr in der Lage, konstruktive und kreative Dinge zu denken. Der Zugang zu unserem kompletten Ressourcensystem wird abgeschnitten. Aktiviere mit deinen Coachees das „Ressourcing“, das kreative Schöpfen aus den eigenen Quellen z.B. indem du es durch kleine spielerische Übungen wieder in Erinnerung rufst.
  4. Hole deinen Coachee aus der oft viel zu weit gedachten Zukunft, mit ihren Sorgen und Worst-Case-Szenarien ins Hier und Jetzt. Dampft gemeinsam das Große Unbekannte ein auf das Wichtigste für die nächsten Tage und max. Wochen. Dann sieht meist sowieso alles schon wieder ganz anders aus. Zeig ihnen, wie agiles Denken geht: Beispielsweise immer den nächsten Trittstein im Blick zu haben.
  5. Rege deine Klienten an, ihren persönlichen Sinn im Ganzen zu finden: Was haben sie davon, wenn sie die Veränderung proaktiv mitgestalten? Vielleicht können sie dann stärkenorientierter arbeiten oder flexibler oder sich nützlich fühlen im Großen Ganzen. Es gibt jede Menge Sinn-Anker auch im persönlichen Wachstum, im Grenzen überwinden, im Sich-Selbst-Kennenlernen in der Veränderung.
  6. Hilf deinen Klient:innen, ihre Geschichte neu und stimmig zu erzählen. Kohärenzgefühl entsteht dann, wenn wir unsere Geschichte innerlich und äußerlich kongruent für uns fortschreiben können. Aber diese Geschichte ist bei den meisten disruptiv. Erkunde tief mit deinem Coachee, wie stark das Veränderungsgeschehen durch dessen eigene Interpretation und Wahrnehmungseinfärbungen („Mindset“) geprägt ist. So kannst du dazu beitragen, Brücken zu schlagen zwischen persönlichen Veränderungen und dem, wovon dein Coachee auch gesellschaftlich betroffen ist.

Und übrigens, wenn du im Change-Coaching gelernt hast, wie du Veränderungen für dich selbst positiv bewältigst und gestaltest – und wenn du verinnerlicht hast, dass dir dann nichts mehr im Leben passieren kann, wirst du eine komplett andere Ausstrahlung in deinen Change-Coaching Prozessen haben. Klient:innen spüren das, ob du wirklich glaubst (und erfahren hast), dass Veränderung nix Schlimmes ist. Diese gelebte innere Haltung ist die größte Ressource, die du ihnen zur Verfügung stellen kannst.

Change-Coach Ausbildung

Die gesamte Change-Coach Ausbildung besteht aus den fünf folgenden 2-tägigen Online-Seminarmodulen. Du kannst aber auch nur das Modul Change-Coaching als Einzelseminar buchen:

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